Ungespundetes Bier: Ein traditionelles Brauverfahren neu entdeckt

Wer schon einmal eine kleine Brauerei besucht oder sich intensiver mit der Bierkultur beschäftigt hat, ist vielleicht über den Begriff „ungespundetes Bier“ gestolpert. Ungespundetes Bier ist ein traditionell gebrautes Bier, das ohne oder mit nur minimalem Druck während der Nachgärung gereift ist, wodurch es weniger Kohlensäure enthält und ein weicheres Mundgefühl bietet. In diesem Artikel erfährst du alles Wissenswerte über diese besondere Bierspezialität – von seiner Geschichte und Herstellung bis hin zu seinen besonderen Geschmackseigenschaften. Wir tauchen ein in eine Brauwelt, die in Zeiten von Craft-Bier-Boom und Mikrobrauereien eine Renaissance erlebt und Bierliebhabern neue Geschmackserlebnisse bietet.

Das Wichtigste in Kürze:

Ungespundetes Bier wird ohne Druckaufbau während der Reifung hergestellt, enthält weniger Kohlensäure und bietet intensivere Aromen. Es ist besonders in fränkischen Brauereien verbreitet und eignet sich ideal für Genießer, die Bier mit weicherem Mundgefühl bevorzugen. Die Tradition gewinnt durch die Craft-Bier-Bewegung wieder an Bedeutung.

Was bedeutet „ungespundet“ beim Bier?

Der Begriff „ungespundet“ mag für viele zunächst fremd klingen. Um ihn zu verstehen, musst du wissen, was ein Spund überhaupt ist. In der Brauerei bezeichnet der Spund den Verschluss eines Fasses oder Tanks. Beim traditionellen Bierbrauen wird dieser Spund während der Reifungsphase des Bieres mit einem speziellen Ventil, dem sogenannten Spundapparat, versehen. Dieser erlaubt es, den Druck im Inneren des Behälters zu regulieren.

Bei einem ungespundeten Bier hingegen wird auf diesen Druckaufbau während der Nachgärung bewusst verzichtet. Das Bier gärt und reift „offen“ oder mit nur minimalem Gegendruck. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf den Charakter des Bieres. Während des Gärprozesses entstehende Kohlensäure kann entweichen, sodass das fertige Bier weniger Kohlensäure enthält als gewöhnliche Biere. Das Ergebnis ist ein weicheres, weniger prickelndes Getränk mit einem anderen Mundgefühl als herkömmliche Biere.

Viele traditionelle deutsche Biersorten wie Kellerbier, Zwickelbier oder bestimmte unfiltrierte Landbiere wurden ursprünglich ungespundet gebraut, bevor moderne Braumethoden mit kontrollierten Druckverhältnissen die Oberhand gewannen. In den letzten Jahren entdecken immer mehr Brauereien diese alte Technik wieder, um ihren Bieren besondere Charakteristika zu verleihen.

Die Geschichte des ungespundeten Bieres

Von der Notwendigkeit zur bewussten Entscheidung

Die Praxis des ungespundeten Brauens reicht weit in die Geschichte des Bierbrauens zurück. Bevor moderne Techniken zur Druckkontrolle entwickelt wurden, war die offene Gärung und Reifung die Norm. Unsere Vorfahren brauten ihr Bier in offenen Gefäßen oder Fässern, die nicht luftdicht verschlossen werden konnten. Diese historische Notwendigkeit prägte den Geschmack von Bier über Jahrhunderte.

Mit der Industrialisierung des Brauwesens im 19. Jahrhundert änderten sich die Braumethoden grundlegend. Die Entwicklung von Druckbehältern und Spundapparaten ermöglichte eine bessere Kontrolle über den Gärprozess und die Kohlensäurebildung. Dies führte dazu, dass gespundetes Bier zum Standard wurde, während die ungespundete Variante mehr und mehr in Vergessenheit geriet.

Erst in den letzten Jahrzehnten, mit dem wachsenden Interesse an traditionellen Braumethoden und dem Aufkommen der Craft-Bier-Bewegung, erlebt das ungespundete Bier eine Renaissance. Was einst aus der Not geboren wurde, ist heute eine bewusste Entscheidung von Braumeistern, die auf der Suche nach authentischen Geschmacksprofilen sind und die reiche Geschichte des Bierbrauens würdigen möchten.

Regionale Biertraditionen mit ungespundetem Bier

In einigen Regionen Deutschlands hat sich die Tradition des ungespundeten Bieres besonders lange gehalten. In Franken etwa ist das „Ungespundete“ oder „U“ ein fester Bestandteil der Bierkultur geblieben. Viele traditionelle Brauereien in dieser Region bieten neben ihren regulären Bieren auch eine ungespundete Variante an, oft direkt aus dem Lagertank gezapft.

Auch in anderen Teilen Europas finden sich ähnliche Traditionen. In Tschechien etwa wird in einigen traditionellen Brauereien Bier direkt aus den Lagertanks ausgeschenkt, ein Verfahren, das dem deutschen ungespundeten Bier ähnelt. Diese regionalen Unterschiede und Traditionen machen das ungespundete Bier zu einem spannenden Kapitel in der vielfältigen europäischen Bierkultur.

Saisonaler Tipp:

Ungespundetes Bier ist besonders im Sommer beliebt, wenn in Franken die Bierkeller öffnen. Von Mai bis September kannst du dieses Bier-Highlight in einer authentischen Umgebung genießen – eine ideale Zeit für eine Bierreise!

Wie wird ungespundetes Bier hergestellt?

Der traditionelle Brauprozess

Die Herstellung von ungespundetem Bier beginnt wie bei jedem anderen Bier mit dem klassischen Brauprozess. Zunächst wird Malz geschrotet und in Wasser eingemaischt, um die Stärke in vergärbare Zucker umzuwandeln. Nach dem Läutern, also dem Trennen der Flüssigkeit (Würze) von den festen Bestandteilen, wird die Würze mit Hopfen gekocht. Dieser Schritt gibt dem Bier seinen charakteristischen Bitterstoff und trägt zur Haltbarkeit bei.

Nach dem Kochen wird die Würze gekühlt und mit Hefe versetzt, wodurch die Hauptgärung beginnt. Bei diesem Prozess wandelt die Hefe den Zucker in Alkohol und Kohlendioxid um. Bis zu diesem Punkt unterscheidet sich der Brauprozess nicht wesentlich von dem eines herkömmlichen Bieres.

Der entscheidende Unterschied liegt in der Nachgärung und Reifung. Während bei modernen Bieren die Tanks oder Fässer mit einem Spundapparat verschlossen werden, um einen kontrollierten Druckaufbau zu ermöglichen, verzichtet man beim ungespundeten Bier auf diesen Schritt. Das Bier reift in offenen Behältern oder solchen mit einem einfachen Verschluss, der das Entweichen der Kohlensäure erlaubt.

Moderne Variationen der Technik

In der heutigen Zeit haben Brauereien verschiedene Methoden entwickelt, um ungespundetes Bier herzustellen. Einige halten sich streng an traditionelle Verfahren und verwenden offene Gärbottiche aus Holz oder Stein. Andere nutzen moderne Edelstahltanks, die so modifiziert wurden, dass sie den kontrollierten Austritt von Kohlensäure ermöglichen.

Eine moderne Variante ist das „sanft gespundete“ Bier, bei dem ein sehr geringer Überdruck während der Reifung aufgebaut wird – deutlich weniger als bei konventionellen Bieren, aber nicht vollständig ungespundet. Dies erlaubt den Brauern, einen Mittelweg zu finden und die Vorteile beider Methoden zu kombinieren.

Einige Brauereien experimentieren auch mit dem Zeitpunkt des Ungespundens. Sie beginnen den Reifungsprozess unter normalen Druckverhältnissen und öffnen den Spund erst zu einem späteren Zeitpunkt. Diese Variationen zeigen, wie vielseitig die Technik des ungespundeten Brauens ist und wie sie in der modernen Braukunst interpretiert werden kann.

Geschmacksprofil und Charakteristika ungespundeter Biere

Weniger Kohlensäure, mehr Geschmack?

Das auffälligste Merkmal eines ungespundeten Bieres ist sein deutlich geringerer Kohlensäuregehalt. Dies verleiht ihm ein weiches, manchmal fast cremiges Mundgefühl, das sich deutlich von der spritzigen Schärfe stark karbonisierter Biere unterscheidet. Viele Biertrinker beschreiben ungespundetes Bier als samtiger und vollmundiger.

Durch den geringeren Kohlensäuregehalt treten andere Geschmacksnoten stärker in den Vordergrund. Malzaromen werden intensiver wahrgenommen, und auch subtile Hopfennoten oder Fruchtaromen können deutlicher hervortreten. Das Fehlen der „Kohlensäure-Barriere“ erlaubt es dem Gaumen, diese Nuancen besser zu erfassen und zu unterscheiden.

Die reduzierten Bläschen bedeuten auch, dass ungespundetes Bier weniger aufblähend wirkt als sein karbonisiertes Pendant. Für Menschen mit empfindlichem Magen kann dies ein angenehmer Nebeneffekt sein. Trotz des geringeren Kohlensäuregehalts ist ungespundetes Bier keineswegs „schal“ oder „abgestanden“ – es handelt sich um einen bewusst herbeigeführten Zustand, der dem Bier seinen besonderen Charakter verleiht.

Bierstile, die besonders gut ungespundet schmecken

Nicht jeder Bierstil eignet sich gleichermaßen für die ungespundete Herstellung. Traditionell werden vor allem untergärige Biere wie Kellerbier, Zwickelbier oder bestimmte Lagerbiersorten ungespundet ausgeschenkt. Diese Bierstile profitieren besonders von der weicheren Textur und dem verstärkten Malzcharakter, den die ungespundete Reifung mit sich bringt.

Auch bei einigen obergärigen Bieren kann das Ungespunden interessante Ergebnisse liefern. In der Craft-Bier-Szene experimentieren Brauer zunehmend mit ungespundeten Ales, Stouts oder sogar IPAs. Bei letzteren kann die reduzierte Karbonisierung dazu beitragen, dass die komplexen Hopfenaromen intensiver wahrgenommen werden.

Ein besonderes Phänomen ist das „Real Ale“ aus Großbritannien, das zwar nicht direkt mit dem deutschen ungespundeten Bier vergleichbar ist, aber ähnliche Eigenschaften aufweist. Auch hier findet die Nachgärung ohne Überdruck statt, was zu einem ähnlichen Geschmacksprofil führt. Diese Parallelen zeigen, dass verschiedene Bierkulturen unabhängig voneinander ähnliche Wege gefunden haben, um besondere Geschmackserlebnisse zu schaffen.

Wo kannst du ungespundetes Bier probieren?

Brauereien und Gasthäuser mit Tradition

Der beste Ort, um authentisches ungespundetes Bier zu erleben, sind traditionelle Brauereigasthöfe und Brauhäuser. Besonders in Franken, dem Herzstück der ungespundeten Biertradition, findest du zahlreiche Familienbrauereien, die ihr Bier direkt vom Lagertank ausschenken. Eine Reise entlang der „Fränkischen Bierstraße“ kann zu einem wahren Entdeckungserlebnis werden.

Auch in anderen Regionen Deutschlands, besonders in Bayern und Baden-Württemberg, gibt es Brauereien, die an der Tradition des ungespundeten Bieres festhalten oder sie wiederbelebt haben. Oft erkennt man diese Gasthäuser an Bezeichnungen wie „Zoigl“, „Kellerbier“ oder eben „Ungespundetes“ auf der Getränkekarte.

Ein besonderes Erlebnis sind die fränkischen Bierkeller. Hierbei handelt es sich um traditionelle Ausschankorte, die ursprünglich zur kühlen Lagerung des Bieres dienten. In den Sommermonaten werden viele dieser Keller geöffnet und bieten Besuchern die Möglichkeit, frisches ungespundetes Bier im Schatten alter Kastanienbäume zu genießen – ein Stück lebendiger Bierkultur.

Spezielle Events und Bierfestivals

In den letzten Jahren sind zahlreiche Bierfestivals entstanden, die sich auf traditionelle und handwerkliche Biere konzentrieren. Veranstaltungen wie das „Internationale Berliner Bierfestival“, die „Craft Beer Days“ in Hamburg oder die „BrauKunst Live!“ in München bieten oft die Möglichkeit, ungespundete Biere zu probieren.

Auch kleinere, regionale Veranstaltungen wie die „Fränkische Bierwoche“ oder verschiedene Kellerbier-Feste legen einen besonderen Fokus auf traditionelle Braumethoden. Hier kannst du nicht nur verschiedene ungespundete Biere vergleichen, sondern auch mit Braumeistern ins Gespräch kommen und mehr über die Herstellung erfahren.

Selbst über die Grenzen Deutschlands hinaus wächst das Interesse an traditionellen Braumethoden. Auf internationalen Craft-Bier-Festivals in Europa und den USA finden sich immer häufiger ungespundete Biere oder solche, die von dieser Technik inspiriert wurden. Dies zeigt, wie eine alte Tradition neue Generationen von Bierliebhabern begeistern kann.

Regionale Empfehlungen:

In Franken findest du die höchste Dichte an Brauereien, die ungespundetes Bier anbieten. Besonders in der Gegend um Bamberg, Forchheim und Bayreuth lohnt sich ein Besuch der traditionellen Braustätten, die oft seit Jahrhunderten nach überlieferten Rezepten brauen.

Top 5 berühmte ungespundete Biere

Hier sind fünf herausragende ungespundete Biere, die du unbedingt probieren solltest:

  1. Mahr’s Bräu „Ungespundetes“ (Bamberg): Ein Klassiker unter den ungespundeten Bieren mit ausgewogenem Malzcharakter und dezenter Hopfennote. 4,9% vol.
  2. Schlenkerla Lagerbier ungespundet (Bamberg): Ein ungespundetes Bier mit leichten Rauchnoten, da in derselben Brauerei auch das berühmte Rauchbier hergestellt wird. 4,3% vol.
  3. Brauerei Knoblach Ungespundetes (Schammelsdorf): Ein typisches fränkisches Kellerbier mit vollem Malzaroma und goldgelber Farbe. 5,1% vol.
  4. Klosterbräu Ungespundetes (Bamberg): Ein bernsteinfarbenes Kellerbier mit ausgewogener Bittere und leichten Karamellnoten. 5,4% vol.
  5. Held Bräu Ungespundetes (Oberailsfeld): Ein vollmundiges Lagerbier mit kräftigem Malzcharakter und angenehm weichem Mundgefühl. 5,0% vol.

Diese Biere bieten einen hervorragenden Einstieg in die Welt des ungespundeten Biers und zeigen die Vielfalt innerhalb dieses Bierstils.

Häufig gestellte Fragen zum ungespundeten Bier

Wie lange ist ungespundetes Bier haltbar?

Ungespundetes Bier hat durch den geringeren Kohlensäuregehalt eine kürzere Haltbarkeit als herkömmliches Bier. In der Regel sollte es innerhalb von 1-2 Wochen nach dem Öffnen oder Zapfen konsumiert werden. Ungeöffnet in der Brauerei gelagertes ungespundetes Bier kann mehrere Monate haltbar sein, allerdings unter optimalen Kühlbedingungen.

Kann man ungespundetes Bier auch in Flaschen kaufen?

Ja, einige Brauereien füllen ihr ungespundetes Bier auch in Flaschen ab. Allerdings ist dabei zu beachten, dass es sich oft um ein „sanft gespundetes“ Bier handelt, das für die Flaschenabfüllung leicht karbonisiert wurde, um eine gewisse Haltbarkeit zu gewährleisten. Das authentischste Erlebnis hast du weiterhin direkt vor Ort in der Brauerei.

Ist ungespundetes Bier gesünder als normales Bier?

Ungespundetes Bier enthält die gleichen Inhaltsstoffe wie normales Bier. Der Hauptunterschied liegt im geringeren Kohlensäuregehalt, wodurch es für manche bekömmlicher sein kann, da es weniger Blähungen verursacht. Wie bei jedem alkoholischen Getränk gilt: Genuss in Maßen.

Wo ist ungespundetes Bier besonders verbreitet?

Am stärksten verbreitet ist ungespundetes Bier in Franken, insbesondere in der Region um Bamberg und Forchheim. Dort gehört es zur lokalen Bierkultur und wird in vielen traditionellen Familienbrauereien hergestellt. Immer mehr Craft-Brauereien in ganz Deutschland nehmen jedoch ungespundete Biere in ihr Sortiment auf.

Welche Temperatur ist ideal für ungespundetes Bier?

Die ideale Trinktemperatur für ungespundetes Bier liegt etwas höher als bei stark gekühlten, karbonisierten Bieren. Experten empfehlen 8-10°C, da bei dieser Temperatur die Aromen am besten zur Geltung kommen. Zu kaltes Servieren würde die ohnehin subtileren Aromen weiter unterdrücken.

Fazit: Warum ungespundetes Bier eine Bereicherung der Bierkultur ist

In einer Zeit, in der Authentizität und Handwerkskunst wieder an Bedeutung gewinnen, stellt das ungespundete Bier eine wertvolle Bereicherung der Bierkultur dar. Es verbindet jahrhundertealte Traditionen mit modernem Genussbewusstsein und eröffnet Bierliebhabern neue geschmackliche Dimensionen.

Die reduzierte Kohlensäure ermöglicht es, subtile Geschmacksnuancen intensiver wahrzunehmen und das Handwerk des Brauers in seiner vollen Komplexität zu würdigen. Ungespundetes Bier steht für Entschleunigung und bewussten Genuss – Werte, die in unserer schnelllebigen Zeit zunehmend geschätzt werden.

Ob als kulturelles Erbe, das es zu bewahren gilt, als Inspirationsquelle für kreative Brauer oder einfach als alternative Genussoption für Biertrinker: Ungespundetes Bier hat seinen festen Platz in der vielfältigen Welt des Bieres mehr als verdient. Wenn du es noch nicht probiert hast, solltest du bei nächster Gelegenheit auf die Suche gehen – es lohnt sich, diesen besonderen Bierstil kennenzulernen und seine einzigartigen Eigenschaften zu entdecken.

Hast du schon einmal ungespundetes Bier probiert? Teile deine Erfahrungen in den Kommentaren und lass uns wissen, welche Brauerei oder welches ungespundete Bier dein Favorit ist!

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